Ich habe nie behauptet, ich würde nie nach Katar reisen.
Weil das nie zur Debatte stand. Das änderte sich vor etwa zwei Monaten, als der FC Bayern sich bei mir meldete: „Wir würden Sie gerne einladen, mit uns nach Doha zu kommen. Ins Trainingslager unseres Frauenteams. Dann können Sie sich vor Ort mal ein eigenes Bild von Land und Leuten machen.“
Uff.
Es ist ja schon seit meiner Wortmeldung auf der JHV 2016 nicht leicht gewesen, den Spagat zu schaffen zwischen kritischer Distanz zur Vereinspolitik einerseits und meinem Leben als Bayernfan und -mitglied andererseits. Authentisch zu bleiben in meiner fortgesetzten Kritik an der Katar-Partnerschaft und gleichzeitig den Dialog zu vertiefen, der sich zwischen einigen Vereinsvertretern und mir in den letzten Jahren entwickelt hat.
Der FC Bayern kann einen verärgern, wenn man manche Entscheidungen aus der Distanz wahrnimmt. Er kann aber auch verdammt nett und offen sein, wenn man vor Ort an der Säbener Straße mit Verantwortlichen spricht.
Wenn ich eins gelernt habe seit 2016, dann ist es die Welt nicht immer in schwarz-weiß einzuteilen, sondern die Grautöne zu sehen. Nicht immer gleich so sicher sein, dass die eigene Meinung die einzig richtige ist. Nicht immer alles gleich in Schubladen packen. Das ist zuweilen anstrengend. Die eigenen Überzeugungen zu hinterfragen, Vorurteile abzubauen, nicht dem ersten Impuls zu folgen. Aber es macht irgendwie auch Spaß, sich in die Tiefe zu bewegen. Weg von der Oberflächlichkeit.
In den letzten Jahren habe ich mich intensiv mit dem Land Katar, der Gesellschaft und den politischen Verhältnissen dort beschäftigt. So intensiv das geht, wenn man selbst nie in dem Land gewesen ist. Ich bin nach wie vor gegen die Partnerschaft zwischen dem FC Bayern und diesem Land. Aber ich bin auch total neugierig auf diesen Teil der arabischen Welt. Neugierig auch auf das ganze Drumherum eines Trainingslagers.
Die Einladung des FC Bayern, mit dem Club dort hinzureisen, habe ich deshalb natürlich angenommen. Es ist ein Angebot, das man nicht ausschlagen sollte. Und übrigens ist es ein sehr positives Signal der Offenheit und Transparenz, das der FC Bayern hier sendet.
Vermutlich wird der FC Bayern hoffen, dass ein Kritiker danach verstummt. Das wird wahrscheinlich nicht passieren. Vermutlich werde ich in Doha vor allem die Glitzerwelt erleben. Ich bin allerdings auch kein Investigativ-Journalist, der sich heimlich in eine Arbeiter-Unterkunft einschleust, um dort die skandalösen Lebensbedingungen zu enthüllen.
Was ich will: die Augen offen halten und wo immer mir das möglich ist, hinter die Kulissen blicken und aufschreiben, was ich wahrnehme.
Ob mir das gelingt, kann ich nicht versprechen. Aber ich werde es versuchen.