„Generell ist dazu zu sagen, dass wir uns einem Austausch mit Fakten und sachlichen Argumenten nicht verschließen – und der darf natürlich auch kritisch ausfallen. Allerdings ist es uns wichtig, dass die Form immer gewahrt wird.“
Das sagte Präsident Herbert Hainer kurz vor der Jahreshauptversammlung 2021 des FC Bayern München zur Katar-Thematik. Gleichzeitig lehnt es der Verein ab, einen Antrag zuzulassen, der sich seriös und fundiert mit dem Sponsoring durch Qatar Airways auseinandersetzt. Anfragen von Vereinsmitgliedern, beim jährlich stattfindenden „Präsidentengespräch“ über das Thema Katar diskutieren zu wollen, werden ignoriert. Der „kritische Dialog“, der angeblich seit vielen Jahren mit Vertretern des Staates Katar stattfindet, wird umgekehrt mit den eigenen Vereinsmitgliedern nicht geführt. Nicht öffentlich.
Es gab Ausnahmefälle, in denen einzelne Mitglieder intern mit Vereinsvertretern über das Thema sprechen konnten. Mit mir wurde immer wieder off the record diskutiert, aber ich erkenne bis heute keinerlei Bewegung auf Seiten des FC Bayerns, sich mit den Contra-Argumenten auseinanderzusetzen, geschweige denn, die eigene Haltung zu Katar zu hinterfragen.
Die Argumente für eine Nicht-Verlängerung des Qatar-Airways-Sponsoring:
- Das Sponsoring bildet eine Geschäftsbeziehung zum Staat Katar. Man nimmt also Geld von einem Staat, dessen Umgang mit Menschenrechten diskutabel ist – um es freundlich zu formulieren. Man nimmt Geld von einem Staat, in dem Homophobie (um nur ein Thema zu nennen) politischer Common Sense und gesetzlich legitimiert ist. Gleichzeitig bekennt man sich zuhause in Deutschland zum Kampf gegen Homophobie; man würde sogar Mitglieder aus dem Verein ausschließen, die sich offen homophob äußern.
- Ein Sponsoring bedeutet, gegen Geld Werbung für den Sponsoringpartner zu machen. Es verpflichtet zu Wohlwollen. In so einem Verhältnis kann man nicht wirklich einen „kritischen Dialog“ führen.
- Um einen „kritischen Dialog“ zu führen, reicht die Präsenz des FC Bayern in selbst finanzierten Trainingslagern vor Ort vollkommen aus.
- Das Sponsoring verursachte eine Image-Schaden für den FC Bayern. Es wird ausschließlich negativ darüber berichtet, der Club muss sich deswegen immer wieder rechtfertigen. Einen Image-Gewinn hat in dieser Partnerschaft nur eine Seite: und das ist die katarische.
- Um im asiatischen Raum präsent zu sein und zu wachsen, muss es nicht ein Partner aus Katar sein. Es gibt zahlreiche Unternehmen, sogar Fluggesellschaften wie Singapore Airlines oder Qantas, die strategisch passend, moralisch unstrittig und gleichzeitig zahlungskräftig sind.
- Der FC Bayern wird ohne das Geld aus Katar nicht in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Man wird vermutlich nicht den gesamten Gegenwert des Sponsorings mit einem einzigen anderen Partner erwirtschaften, aber sicher mit zwei bis drei neuen Unternehmen. Die Strahlkraft des FC Bayern auch in der asiatischen Region ist so groß, dass das machbar sein sollte.
In der Zeitung Neues Deutschland schätzt der Hamburger Markenexperte und Konsumphilosoph Prof. Dr. Oliver Errichiello die Situation beim FC Bayern treffend ein. Der Autor des Artikels schreibt:
Sich im Weltfußball auch wirtschaftlich als Gegenpol zu positionieren zu Klubs wie Paris Saint-Germain, Manchester City und anderen, die aus Katar, Abu Dhabi und Saudi-Arabien finanziert werden, und auf Werte wie Glaubwürdigkeit zu setzen, hält Errichiello keinesfalls für ein romantisches Ideal. »Marketingtheoretisch wäre das eine grandiose Geschichte. Denn es gibt bisher keinen großen Verein, der das so macht«, sagt er. »Wer es jetzt schafft, mit einem ethischen Ansatz ein Leuchtturm zu werden, dem könnten sich neue Einnahmequellen eröffnen.« Denn damit schmücken sich andere Sponsoren gern.“
Es ist ziemlich genau das, was ich seit Jahren fordere, auf der Jahreshauptversammlung 2017 vorgeschlagen und in mehreren Gesprächen gegenüber Verantwortlichen des FC Bayern versucht habe, zu vermitteln:
Mia san mia – oder mia san wie alle?
Wenn Du (nach eigenen Aussagen!) anders sein willst als die Scheich-Clubs dieser Welt, dann solltest Du nicht deren Geschäftspartnerschaften kopieren. Sondern Dich an den Werten, Haltungen und Überzeugungen orientieren, die Du selbst formuliert hast (zuletzt im Strategieprozess AHEAD). Also: Prüfe mögliche Sponsorings auf Deine Werte hin. Passt das? Machen. Passt das nicht? Lassen.
Macht das mehr Arbeit, als das Prinzip „Augen zu, Hand auf“? Ja. Ist es dennoch machbar für eine Top-Marke wie den FC Bayern. Ja!
Der Katar-Antrag – zulässig oder nicht?
Wenn sporadischer, interner Off-the-record-Dialog nichts bringt, muss man dem Verein öffentlich zeigen, dass man keine lästige Minderheiten-Meinung vertritt, über die man hinwegsehen kann. Sondern dass ein signifikanter Teil der Mitglieder mit dem Qatar-Airways-Sponsoring nicht einverstanden ist. Michael Ott versucht mit seinem Antrag zur diesjährigen Jahreshauptversammlung genau das vor Ort im Audi Dome zu belegen.
Der Antrag erfüllt die satzungsgemäßen Voraussetzungen – und wird dennoch nicht zugelassen. Ob der eV inhaltlich zuständig ist, spielt bei der Entscheidung über die Zulassung meinem Rechtsverständnis nach keine Rolle. So lehnte auch das Amtsgericht München eine einstweilige Verfügung nicht aus inhaltlichen Gründen ab, sondern weil es nicht die Dringlichkeit sieht, den Antrag zur JHV 2021 zuzulassen. Anders urteilte leider das Landgericht München. In seiner Begründung führt das Gericht aus, „dass die Ergänzung der Tagesordnung abgelehnt wurde, weil die Mitgliederversammlung für den bezeichneten Beratungs- und Beschlussgegenstand laut Vereinssatzung nicht zuständig ist. Innerhalb des Vereinsgefüges ist die Geschäftsführung und somit auch das Thema Sponsoring für den Bereich Fußball durch die Vereinssatzung ausschließlich Aufgabe des Präsidiums und damit der Zuständigkeit der Mitgliederversammlung entzogen.“
Meiner Ansicht nach will der Katar-Antrag ein Votum unter den Mitgliedern einholen, wie dort über das Sponsoring gedacht wird. Dieses Votum ist rechtlich nicht bindend, aber es würde Präsidium und AG-Vorstand zumindest unter Druck setzen, das Mitgliedervotum in eine Entscheidung über die Verlängerung des Sponsorings mit einzubeziehen.
Lederhosen voll?
Doch der FC Bayern will das Thema anscheinend aussitzen. Vermutlich befürchtet man, dass ein signifikanter Prozentsatz der anwesenden Mitglieder für den Antrag stimmen werde. Wobei sich die Frage stellt, wieso man ein Sponsoring verabredet, dass von Großteilen der Mitglieder – für die man doch angeblich das alles tut – abgelehnt wird.
Der Verein will durch sein restriktives Verhalten schlechte Presse verhindern, das Thema möglichst klein halten. Und wie fast immer in solchen Fällen erreicht der FC Bayern das Gegenteil: Überall wird seit Wochen medial berichtet. Der Katar-Antrag – und der Umgang des FC Bayern damit – ist deutschlandweit bekannt geworden. Radio, TV, Web-Portale, überregionale Tageszeitungen – ich selbst habe mehrere Anfragen erhalten, mich zum Thema zu äußern. Von der Resonanz, die Antragssteller Michael Ott erhält, ganz zu schweigen.
Mitglieder sind wichtig – als Kunden
Es ist frustrierend zu erkennen, dass dem Verein nicht wirklich am Dialog mit seinen Mitgliedern gelegen ist. Mitglieder und Fans seien angeblich so wichtig, heißt es immer wieder von den Verantwortlichen. Man wurde vermisst während des Lockdowns, man stehe im Mittelpunkt aller Aktivitäten des Clubs. Der Eindruck verfestigt sich: Die Mitglieder sind wichtig – als Kunden. Nicht als mündige Mitglieder, mit denen man sich auf Augenhöhe öffentlich auseinandersetzt und die zumindest eine theoretische Chance haben sollten, Veränderungen im Verein zu bewirken.
Konsequenzen
Wenn man als Mitglied keine echte Chance dazu hat, sein satzungsgemäßes Antragsrecht wahrzunehmen (bzw. nur dann, wenn der Antrag dem Präsidium genehm ist), wenn „Mitsprache“ nur im Rahmen einer wirkungslosen Wortmeldung möglich ist, wenn „Dialog“ nur im Verborgenen stattfindet, dann verprellt man nach und nach die aktiven Mitglieder. Die Mitglieder, die dialogbereit sind, die keinen Krawall wollen, sondern konstruktiv etwas verändern wollen. Die sich ernsthafte Gedanken um den FC Bayern machen. Die sich wünschen, dass der FC Bayern sich bei seinen Entscheidungen schlicht an das hält, was er selbst propagiert: seine Werte.
Der FC Bayern wird es schaffen, dass er immer mehr dieser anstrengenden Mitglieder loswird. Dass bald in den Wortmeldungen nur noch „Freibier“ gefordert wird, dass es bei den Präsidentengesprächen nur noch um die Bratwurstpreise in der Allianz Arena geht.
Was der FC Bayern damit nicht schaffen wird, ist die Kritik am Katar-Sponsoring und anderen problematischen Entscheidungen zu stoppen. Im Gegenteil: Die Kritiker werden sich neue Wege suchen, gehört zu werden. Sie werden vermutlich sogar lauter im Jahr vor der WM 2022.
Weiter. Immer weiter!