Lasst Worten Taten folgen. Und Taten nicht nur Worte.

Am 5. März 2020 positioniert sich der FC Bayern klar gegen Rassismus, Ausgrenzung, Diskriminierung aller Art und Intoleranz. Eine regelrechte Kampagne unter dem Motto „Rot gegen Rassismus“ zeigt allen Fußballfans in Deutschland, wofür – und wogegen der FC Bayern steht. Es gibt viel Applaus dafür – zurecht.

Am 11. August 2020 berichtet das WDR Magazin „Sport Inside“ von Rassismus, Ausgrenzung, Diskriminierung aller Art und Intoleranz am FC Bayern Campus.

Am 17. August 2020 um 19:00 veröffentlicht der FC Bayern eine Pressemitteilung, die ich aufgrund ihrer Kürze hier komplett zitieren kann:

„Die FC Bayern München AG und ein Nachwuchstrainer haben ihr Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufgelöst. Dies ist das erste Ergebnis einer derzeit stattfindenden internen Untersuchung am Campus des FC Bayern München. Unabhängig davon werden die zugrundeliegenden Sachverhalte von der FC Bayern München AG weiter untersucht.“

Ein bemerkenswertes Statement, fehlt doch das Wort „Rassismus“. Und damit der Kern der Vorwürfe, von denen seit nun einer Woche die Rede ist.

Und es fehlt der Name des Trainers, seit rund 17 Jahren in der Nachwuchsarbeit des FC Bayern beschäftigt. Der Name ist spätestens seit einem kurzzeitig angelegten Twitter-Account bekannt.

Inhaltlich ist vor allem bemerkenswert, dass hier ein „Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufgelöst“ wurde. Dass also rassistische Äußerungen nicht mit einer fristlosen Kündigung quittiert wurden.

Die Rechtsauffassung bemerkt dazu:

„Rich­ten sich sol­che (rassistische – der Autor) Aus­sa­gen ge­gen Kol­le­gen, Vor­ge­setz­te oder ge­gen Kun­den, oder gibt es auf­grund an­de­rer Be­gleit­um­stän­de ei­nen Zu­sam­men­hang zum Ar­beits­ver­hält­nis, kann der Ar­beit­ge­ber mit ei­ner frist­lo­sen Kün­di­gung auf der Grund­la­ge von § 626 Bür­ger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) re­agie­ren.“ (Quelle: Hensche Rechtsanwälte, Fachanwaltskanzlei für Arbeitsrecht)

Die rassistischen Aussagen sind dokumentiert in einem 2018er Chatverlauf per What’s App, dessen Echtheit der Trainer intern zugab.

Warum kam es dann nicht zu einer fristlosen Kündigung? Will man dem Trainer nicht seine weitere Karriere verbauen? Obwohl doch jedem Nachwuchsleistungszentrum in Deutschland Name und Vorkommnisse bekannt sein dürften?! Will man dem Trainer durch das Entgegenkommen eine gewisse Dankbarkeit zeigen für seine langjährige Tätigkeit? Obwohl er mit seinem Verhalten dem FC Bayern MASSIV geschadet hat?! „Einvernehmliche Auflösung“ klingt nach gentlemen‘s agreement, bei dem ich zweifelhaft finde, ob dieser Nachwuchstrainer ein gentleman ist.

Ich verstehe es nicht.

 

Der besagte Trainer ist bereits seit dem Jahr 2003 (!) für den FC Bayern in der Nachwuchsarbeit beschäftigt. Er hat also schon 14 Jahre an der Säbener Straße gearbeitet. Zu befürchten ist, dass er rassistisches Gedankengut nicht erst seit 2018 äußerte. Wie kann das so lange unentdeckt geblieben sein? Warum haben sich offenbar nie andere Trainer, Mitarbeiter, Betreuer, die das mitbekommen haben müssen, darüber bei Vorstand / Präsidium beschwert?

Was wusste eigentlich Hermann Gerland – seit 2001 im Nachwuchsbereich tätig, über viele Jahre an des Jugendtrainers Seite und sicher die dominanteste Figur im Nachwuchsbereich mit bestem Draht zu Hoeneß & Co.?

Und wenn es solche Beschwerden gab (dokumentiert sind einige Briefe von Eltern):

Warum hatte das keine Konsequenzen für den Trainer?

Ich verstehe es nicht.

 

Es geht hier um Rassismus, allein schon schlimm genug. Es geht aber auch laut Sport-Inside-Bericht um Homophobie, Mobbing, Diskriminierungen anderer Art und sadistische Straftrainings bis zum körperlichen Zusammenbruch. Das klingt nicht nach „nur die Harten kommen weiter“. Das klingt nach Körperverletzung. Und wir reden hier über Kinder (!), die den Trainern des Campus anvertraut wurden, die die Werte des FC Bayern kennenlernen, erleben und verinnerlichen sollen. Die ja nicht nur sportlich trainiert, sondern auch umfassend pädagogisch betreut werden.

„Diese Geschichte passt überhaupt nicht zu den Werten, die der FC Bayern vertritt.“

Das sagte Rummenigge vor dem CL-Viertelfinale gegen den FC Barcelona dem TV-Sender Sky. So wie ich ihn kenne und einschätze, werden ihn diese Vorfälle am Campus wahnsinnig ärgern. Man kann sich als Vereinsmitglied nur in Grund und Boden schämen, wenn die Vorwürfe der Eltern sich als wahr erweisen sollten.

Ich erwarte jetzt, dass die internen Untersuchungen zu Ergebnissen führen, die über eine wachsweiche Trennung vom Hauptprotagonisten hinausgehen. Diese Ergebnisse müssen dann transparent vermittelt werden. Das darf nicht intern bleiben. Die Mitarbeiter und Mitglieder des FC Bayern, die Eltern der Jugendspieler und die gesamte interessierte Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, was am Campus bisher los war. Und zukünftig los sein soll. Mit welchen Maßnahmen der FC Bayern Rassismus und Diskriminierung aller Art also künftig unterbinden wird.

Ich erwarte auch, dass nicht nur intern jeder Stein umgedreht wird. Sondern dass ein externer, unabhängiger Mediator / Coach / Berater mit dem wertvollen Blick von außen sich die Strukturen am Campus anschaut. Jemand, der nicht Teil des „Machtapparates“ ist und der nicht das „Klima der Angst“ spüren muss, von dem ebenfalls die Rede ist.

Der Bayern-Blog miasanrot schreibt dazu am 14. August 2020:

„Auch die anderen Mitglieder des Chats müssen einer gründlichen Überprüfung unterzogen werden. Wenn Rot tatsächlich gegen Rassismus ist, müssen mehr als nur Worte oder eine einzelne Tat folgen. Ganze Strukturen müssen aufgegriffen werden.“

Dem kann ich mich nur anschließen.

Der FC Bayern München ist sportlich in dieser Saison Europas Glanz. Jetzt muss nachhaltig gezeigt werden, dass der Club auch bei seinen ideellen Werten glänzt.

Mit Wort und Tat.