Grau ist jetzt silber ist das neue weiß. Ein paar Fakten zur emotionalsten Frage des Jahres.

Die Emotionen gehen hoch, seit dem im Vorfeld der Jahreshauptversammlung 2017 (Sportbild Leaks) herauskam, dass der FC Bayern für die Umgestaltung der Allianz-Arena eine grau-rot-graue Bestuhlung favorisiert.

Die Mehrheit der Bayern-Fans scheint rote Sitze zu bevorzugen. Da scheint auch nicht das auf den ersten Blick clevere Argument von Jan-Christian Dreesen zu ziehen, dass sich unser Stadion komplett in rot zum austauschbaren Klon neun anderer Bundesligastadien machen würde.

Im letzten Bayernmagazin sprach Karl-Heinz Rummenigge nun plötzlich von rot-weißen Sitzen: „Rot-weiße Sitze passen erstklassig zu rot-weißen Trikots. Und dieses Ensemble gäbe es dann exklusiv in München, nur beim FC Bayern.“

Beim Heimspiel gegen Hannover 96 wurde dazu direkt ein Banner hochgehalten, in dem gejubelt wurde: „Unser Kalle hats erkannt, grau gehört verbannt.“

Zu früh gefreut.

Rummenigge drückte sich missverständlich aus. Mit „weiß“ meint er das „grau“ der Allianz-Arena, das er, um die Verwirrung zu komplettieren, im Bayern-Magazin als „silberfarben“ bezeichnet.

Der Verein hat offenbar erkannt: Grau ist ein Reizbegriff, der besser vermieden wird. Wir Mitglieder und Fans sollen lernen: grau = silber = weiß.

Unabhängig von den Vorstellungen des FC Bayern, die glücklicherweise „noch längst nicht in Stein gemeißelt sind“ (Rummenigge), könnte eine tatsächlich rot-weiße Kombination doch wirklich eine schöne, einzigartige Lösung bieten.

Weiße Sitze gibt es ja auch bereits: im schmucken Stadion von Juventus Turin, 2011 fertiggestellt. Wenn weiße Sitze dort funktionieren, müsste das doch auch in der Allianz-Arena möglich sein. Dachte ich mir und wollte es genau wissen.

Das Architekturbüro des Turiner Stadions

Ich schrieb das Architekturbüro „gauarena“ des Turiner Stadions an und fragte nach der Beschaffenheit der Sitze. Die Antwort der Architekten:

„For the Juventus Stadium we cooperated closely with Juventus Turin and the manufacturer to have a product that shall be elegant, beautiful, safe and very comfortable, according with UEFA and FIFA standards. The finishing of the seats makes them easy to clean.“

Über Twitter erhielt ich ein Foto vom Innenraum. Zu sehen sind Sitze in mattem, gedeckten weiß. Interessanterweise sieht diese Farbe aus der Stadiontotale heller aus als aus der Nähe. Eine mögliche Lösung für den FC Bayern?

Der Hersteller der Allianz-Arena-Sitze

Ich schrieb ebenfalls den Hersteller der Sitze der Allianz-Arena an. Für die EHEIM Möbel GmbH antwortete mir der Geschäftsführer, Frank Eheim:

„In Sachen Farbbeständigkeit ist silbergrau nach wie vor unübertroffen. Obwohl wir die bestmögliche Kombination aus Brandschutz und UV-Beständigkeit erreichen, lässt es sich nicht vermeiden, dass rot über die Jahre hinweg an Leuchtkraft verliert und weiß hingegen einen Gelbstich bekommen kann.
Die Sitze werden nicht beschichtet oder lackiert, sondern werden aus durchgefärbtem Kunststoff hergestellt. Die genannten Alterungsprozesse sind unvermeidbar und werden auch in Turin auftreten.
Obwohl weiße Sitze natürlich auch gereinigt werden können, sind helle Farbtöne grundsätzlich schmutzempfindlicher.
Das andere Problem ist das knappe Zeitfenster, da die Umbaumaßnahme während der kommenden Sommerpause abgeschlossen werden soll.“

Weiß scheint also technisch machbar zu sein, der Hersteller warnt jedoch vor Verfärbungen. Hier wäre dann die Frage, ob man möglichst viele rote Sitze einbaut und zum Beispiel nur schmale Linien, eventuell eine oder zwei Sitzreihen breit, in weiß dazwischensetzt. In so einer Gesamtoptik sollte selbst eine mögliche Verfärbung des Weißtons nicht weiter auffallen.

Was tun? Ich empfehle dem FC Bayern eine Mitgliederbefragung.

Zur Auswahl sollten drei Design-Entwürfe stehen. Alle finanzierbar und in der Sommerpause umsetzbar:

  • ein rot-grauer Entwurf
  • ein roter Entwurf
  • ein roter Entwurf mit geringem Weiß-Anteil

Die Mehrheit der Mitglieder entscheidet über den favorisierten Entwurf. Idealerweise geht das ganze bis Mitte Januar über die Bühne, damit der Hersteller noch genügend Zeit hat, die Sitze zu produzieren.

Die Befragung würde den Mitgliedern das Gefühl geben, bei einer so emotionalen Frage, die Heimat betreffend, mitentscheiden zu dürfen. Ich halte das gerade in aktuellen Zeiten des zunehmend distanzierten Fußballgeschäftes für ein wichtiges Signal.

Und die alten Sitze?

Es ist richtig, dass aus Umweltschutzgründen das Stadion grau bleiben müsste. Ein Austausch intakter Sitze ist eigentlich ein Wahnsinn. Dieser Wahnsinn müsste wenigstens dadurch abgemildert werden, dass die Sitze entweder für einen guten Zweck verkauft (zum Beispiel an Dauerkarteninhaber) oder für einen nicht minder guten Zweck verschenkt werden. Nämlich an kleine Amateurvereine in ganz Deutschland, die sich über kostenlose, hochwertige Originalsitze eines WM-Stadions freuen würden. Mir ist klar, dass das einen hohen organisatorischen und logistischen Aufwand bedeuten würde. Aber die Alternative – die Sitze einfach wegzuschmeißen – kann keine sein. Ganz gleich ob „nur“ 10.000 Sitze ausgetauscht werden, oder alle.